Ich genieße, gemeinsam mit meiner Enkeltochter, bei schönstem Sonnenschein, grünen Gummistiefeln, brauner Erde, dicken Würmern, würzigem Duft, die herbstliche Erntezeit und unfassbare Glücksgefühle bei jeder Kartoffel, die aus der Erde geholt und vorsichtig in der Schubkarre abgelegt wird. Festhalten möchte ich diesen wunderbaren Moment. Festhalten möchten wir den unübertrefflichen Sonnenuntergang und den lauen Sommerabend auf der Terrasse. Festhalten, diesen einzigartigen Tag der Trauung, mit netten Gästen. Einfach irgendwie festhalten.
Festhalten, möchte das Kind die Hand der Mutter oder des Vaters, bei den ersten Schritten in das Leben oder später beim Abschied nehmen, am Ende des Lebens. Und als Erwachsene: Festhalten, die Hand des Kindes, wenn es flügge wird oder die eigenen Kräfte nachlassen. Festhalten möchten wir, den Moment des Erfolgs, der Ehrung, der Anerkennung oder der zärtlichen Berührung. Ja, wenn man doch solche Momente und Stunden festhalten könnte: im Urlaub, die Begegnung oder das Gelingen.
Wir versuchen es: mit Selfies - noch und nöcher - die Augenblicke des Glücks festhalten. Aber selbst das schönste Bild gibt die Empfindungen und Erfüllung des erlebten Momentes nicht wieder. Was wir sehen und erleben, ist auf den Bildern nicht das Original.
Das Leben kann nicht an- oder festgehalten werden. Auch nicht in der Erinnerung, denn sie verblasst. Menschen können das Lebensgefühl und den Moment nicht festhalten. Meine Gedanken, Gefühle und Erfahrungen machen mir klar: nichts kann ich festhalten. Schon gar nicht den glücklichen Augenblick. Was bleibt, ist die Hoffnung. Auf den nächsten wunderschönen Moment. Das nächste Erlebnis, das so intensiv berührt. Festhalten.
Was kann ich festhalten? Woran kann ich mich festhalten? Und vorsichtig begreife ich, dass ich nichts festhalten kann, aber festgehalten bin. Wenn das so ist, dann will ich festhalten, was mich festhält – ob das Halt gibt? Der, der außerhalb dieser Wirklichkeit ist und mir doch täglich nah kommt, hält mich fest. Und ich halte mich an ihm fest.
Ich muss das Loslassen lernen. Mich an schönen Momenten des Lebens freuen, aber sie nicht mehr krampfhaft festhalten. Ich bin gehalten. Nicht eingeengt, nicht begrenzt, nicht an der Leine. Sondern: felsenfest gehalten. Auf dieser Basis kann ich leben. Momente genießen. Halten und Halt geben.
Festhalten. Wer hält dich fest?
Bleiben Sie gesund und behütet.
Pastor Burkhard Heupel
Emmaus-Gemeinde