Das Wort zum Donnerstag

Das Wort zum Donnerstag

02.10.2024

Kerzen und Gebete

Was gilt es morgen zu feiern? Den Fall der Mauer und die Einheit der Nation. Dankbare Erinnerung an die friedliche Revolution. Menschen haben für ihre Freiheit gekämpft. Grenzen wurden überwunden. Daran will der Feiertag erinnern.

Wir waren auf alles vorbereitet, nur nicht auf Kerzen und Gebete, so sagt es ein Offizier der Staatssicherheit im Roman von Erich Loest mit dem Titel Nikolaikirche. Ich bekomme Gänsehaut bei einem solchen Satz. Gott war am Werk, vor 35 Jahren, und Stasi und Regierung der DDR waren darauf nicht vorbereitet! Die Mächtigen dieser Welt - machtlos. Die Gebete und Kerzen der vielen Menschen bei den Montagsdemonstrationen: ein lebendiges Zeichen der Hoffnung auf die Macht und Präsenz Gottes - trotz Mauer, Stacheldraht und Todesstreifen. Trotz gepanzerter Fahrzeuge und bewaffneten Truppen.

Menschen suchten Schutz in Kirchen, nicht, weil ihr Glaube so groß war, sondern weil Schwerter zu Pflugscharen, dieses Teilzitat aus dem Propheten Micha (Kap.4), den Geist der (kirchlichen) Friedensbewegung prägte und den Geist der friedlichen Revolution.

Herbst 1989: Die Mauer fiel, Grenzen öffneten sich. Menschen strömten über scheinbar unüberwindbare Trennlinien. Es war ein Moment, in dem Geschichte geschrieben wurde. Wer die Wiedervereinigung feiert, sollte nicht vergessen, dass Gebete und die damit verbundene Hoffnung eine entscheidende Rolle spielten. Gott war am Handeln, davon bin ich überzeugt. Gott hört und antwortet auf Gebete: manchmal im Verborgenen, manchmal im Kleinen und manchmal spürbar und sichtbar in den großen Ereignissen der Weltgeschichte.

Das biblische Zitat aus dem Propheten Micha ist noch nicht erfüllt, denn es verheißt im Nachsatz, dass Menschen - eines Tages - nicht mehr lernen werden Krieg zu führen. Es ist eine Prophetie, die auf ihre Erfüllung wartet. Es scheint noch ein langer Weg bis dahin zu sein. Weder im Osten Europas noch im Nahen Osten zeichnet sich ein dauerhafter Frieden ab. Daher gilt es, bei allen diplomatischen Optionen, Hilfsgüterleistungen und praktischen Aktionen, nicht auf Gebete und Kerzen und schon gar nicht auf den zu verzichten, der Gebete hört und darauf antwortet.

Wir waren auf alles vorbereitet., hatte der Offizier gesagt. Man kann sich im Leben auf vieles vorbereiten. Nicht auf alles. Gebete können Grenzen und Mächte verändern, wo menschliches Handeln an seine Grenzen kommt. Genau darum bitten und darauf hoffen Betende, weil es für Gott keine unüberwindbaren Grenzen und Mächte gibt.

Bleiben Sie gesund und behütet.

Pastor Burkhard Heupel
Emmaus-Gemeinde

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