Das Wort zum Donnerstag

Das Wort zum Donnerstag

15.08.2024

Ich kann nicht klagen

Hallo Klara, wie geht es dirIch kann nicht klagen. Umgangssprachlich ist dies oft die bescheidene Antwort auf die Frage nach dem Befinden. Will heißen: Der Befragten geht es gut. Deshalb kann sie nicht klagen. Mich verwirrt die Antwort. Warum sagt die Befragte nicht, dass es ihr gut geht?

Oder habe ich die Antwort missverstanden? Klara sagt: Ich kann nicht klagen. Vielleicht fehlen ihr nur die richtigen Worte fürs Klagen oder das Gegenüber?

Die dritte Interpretation der Antwort: Klagen ist das Standardprogramm bei Klara: Klagen über das Klima und die Kunden, vielleicht über die Kollegen oder die Kommunalpolitik? Man kann endlos klagen über Zipperlein, steigende Preise und die Kinder. Dann würde die Antwort bedeuten: Ich kann beim besten Willen nichts mehr finden, worüber ich noch klagen könnte.

Drei mögliche Interpretationen. Fest steht: Klagen hilft, wenn es einem schlecht geht. Denn: Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Ob es wohl einen Menschen auf der Welt gibt, der keinen Grund zum Klagen hat? Klara ist keinesfalls eine Ausnahme. Die biblischen Psalmen wissen um die vielfältigen Klagen der Menschen und haben eine Gattung, die sich die Klagepsalmen nennt. Anlaufstelle ist Gott.

Gott anzuklagen, ihm die eigene Situation zu beklagen und ihm gegenüber Widersacher zu verklagen, ist die biblische Antwort auf Erfahrungen in dieser Welt, die im Kontrast zum eigenen Glauben stehen, meint Till Magnus Steiner. Die Psalmen münden im Lob Gottes, aber sie lehren auch das Konfliktgespräch in der Beziehung mit Gott.

Etwa ein Drittel der Psalmen gehören in diese Kategorie der individuellen und kollektiven Klagen: Konfliktgespräch mit Gott. Psalm 13 ist eine Art Muster eines Klagepsalms: So könnte sie sich anhören, die Klage von Klara. Oder meine Klage. Oder Ihre Klage. Haben Sie eine Bibel zur Hand? Einfach mal Psalm 13 lesen.

Ich nehme mir jedenfalls vor, vermehrt meine Klagen im Dialog mit Gott zu formulieren und Menschen zu verschonen. Ich will Gott in den Ohren liegen und nicht mehr meine Mitmenschen mit meinem Lamentieren auf die Nerven gehen.

Bleiben Sie gesund und behütet.

Pastor Burkhard Heupel
Emmaus-Gemeinde

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