Bin ich in meinem Heimatort, dann gehe ich zunächst zum Bäcker und kaufe einen Rosinenstuten. Nicht nur, dass er mit seinen 500gr günstig und schmackhaft ist, er hat vor allem die höchste Rosinendichte, die ein Rosinenstuten überhaupt haben kann. So genial. Und wusch, ist er auch schon verspeist - am besten mit selbstgekochter Marmelade, derzeit Rhabarber.
Schon beim Bäcker läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Am liebsten würde ich alle Rosinenstuten aus dem Regal kaufen. Aber ich weiß: Mir würde schlecht werden, von so viel Rosinenstuten und aufbewahren geht auch nicht.
Es ist wie im richtigen Leben: Der Rosinenstuten
ist schnell aufgebraucht.
Die schönen Stunden im Leben sind schnell vergangen.
Wie im Wind verflogen.
Menschen sind auf der Suche.
Nach Leben.
Leben, das bleibt.
Freude, die bleibt und nicht vergeht.
Freude, die in die Tiefe geht.
Tiefer noch als ein Rosinenstuten.
Wovon wir uns Glück und Leben versprechen, das verzehrt sich. Selbst, wenn wir größte Vorräte davon besäßen: Wir könnten sie nicht aufnehmen. Sie nicht verarbeiten. In Goethes Faust lese ich:
So tauml` ich von Begierde zu Genuss, und im Genuss verschmacht‘ ich - nach Begierde
Alles verbraucht sich. Essen, Trinken, Liebe, Sensationen. Alles verbraucht sich - oder uns. Was im besten Falle übrig bleibt, das ist Unerfülltheit, Unzufriedenheit und die Suche nach mehr.
Der Humorist Wilhelm Busch (1832-1908), der Pionier des Comics und Erfinder von Max und Moritz, formuliert: Ist ein Wunsch erst erfüllt, kriegt er plötzlich Junge
Was tun? Sich überall die Rosinen rauspicken, und zwar so viele wie möglich?
Dazu fällt mir ein Witz ein: Im Religionsunterricht wird die biblische Geschichte von der Hochzeit zu Kana
besprochen.
Berichtet wird, dass Jesus 600 Liter Wasser in Wein verwandelte.
Der Lehrer fragt die Schüler: Was haltet ihr davon
Einer der Schüler antwortet: Den laden wir auch mal ein
Clever. Jesus einladen. Ob Jesus mehr zu bieten hat als Rosinenstuten und Wein, die zwar für den Moment glücklich machen, aber nicht dauerhaft? Der Catering-Chef damals bestätigte, dass es sich bei dem verwandelten Wasser nicht um billigen Fusel, sondern sozusagen um Beerenauslese oder Eiswein handelte. Quasi das Beste vom Besten. Jesus einladen. Manchmal muss man erst auf den Geschmack kommen. Für mich ist der Rosinenstuten aus dem Nachbarort schon ziemlich das Beste, was einem passieren kann – er wird allerdings weit übertroffen von der täglichen Begegnung mit dem, der aus Wasser Wein machen kann.
Bleiben Sie gesund und behütet.
Pastor Burkhard Heupel
Emmaus-Gemeinde