Das Wort zum Donnerstag

Das Wort zum Donnerstag

04.04.2024

Wurm und Würde

In den Skiurlaub soll auch ein Schlitten mitgenommen werden – für die Enkelkinder. Als ich den Schlitten vom Dachboden hole, rieselt Bohrmehl aus unzähligen Löchern. Der Holzwurm hat sich den Schlitten zu eigen gemacht und ist gefräßig zerstörend aktiv – und unerwünscht.

Da ist der Wurm drin, konnte mein Vater sagen, wenn etwas aus unerklärlichem Grund immer wieder schieflief. Ob er dabei an den Holzwurm dachte oder an den Wurm im Obst, war einerlei. Nach einem kräftigen Regenguss finden sich Regenwürmer auf der Straße. Kommt anschließend intensiv die Sonne raus, dann ist die Lebenszeit des Wurms kurz.

Manchmal fühlen sich Menschen wie Würmer: Mit Füßen getreten. Klein. Egal, ob der heißen Sonne oder dem Mobbing ausgesetzt. Frustriert. Im Dreck des Lebens – ohne Ausweg. Hilflos. Durchlöchert fühlt sich das Leben an.

Beim Großen Zapfenstreich folgt nach dem Kommando Helm ab zum Gebet! die von Dmitri Bortnjanski komponierte Choralstrophe mit dem Text Ich bete an die Macht der Liebe von Gerhard Tersteegen. Tersteegen beschreibt in diesem Lied, dass er in Phasen des Lebens, wo er sich vorkommt wie ein Wurm, sich von Jesus Christus geliebt weiß. Das Lied findet sich in vielen Gesangbüchern. Im Laufe der Jahre hat sich Tersteegens Selbstbezeichnung Wurm in den Liedtexten zum ich oder Mensch gemausert. Nun ja, wer will schon ein Wurm sein. Niemand! Ansehen und Erfolg zählen – aber nicht die Momente, Tage oder Wochen, wo Menschen sich als Wurm erleben.

Tersteegen nimmt Bezug auf den Leidenspsalm Jesu, den Jesus am Kreuz betete. Der Beter bringt zum Ausdruck, dass er ein Wurm und kein Mensch ist (Ps.22,7). Jesus selbst bezeichnet sich mit diesem Psalm als Wurm. Verlassen. Sterbend. Ohne Perspektive. Damit stellt er sich auf eine Stufe mit allen, die ähnliches erleben und am liebsten sich in einem Loch verkriechen möchten.

Das Osterfest nimmt Christen mit hinein in die Hoffnung der Auferstehung: Die Botschaft, dass der Tod, Trauer oder eine Depression nicht das letzte Wort haben. Menschen sind Gottes geliebte Kinder, gerade in den Momenten, wo sie sich wie ein Wurm vorkommen. Ich lasse mir zusprechen oder -singen: Ich bin vom himmlischen Vater geliebt. Gesehen. Geachtet. Diese bedingungslose Liebe gibt mir Würde – auch in Lebenszeiten, in denen ich am Boden zerstört bin.

Wenn wieder Mal der Wurm drin ist, dann, spätestens dann, sollte die Lebenshoffnung, die das Osterfest gibt, den Ton angeben. Egal, wie wurmstichig sich das Leben gerade anfühlt.

Bleiben Sie gesund und behütet.

Pastor Burkhard Heupel
Emmaus-Gemeinde

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