Im Gemeindehaus überreicht mir die Postbotin ein Päckchen.
Als sie das Gemeindehaus verlässt, fällt ihr Blick auf unseren Werbeaufsteller im Windfang des Foyers.
Mit großen Buchstaben ist auf dem Plakat Ich bin offen für dich – Gott
zu lesen.
Weiße Schrift auf grünem Hintergrund.
Dann schaut sie mich kurz an, hebt den Daumen und ihr Blick fällt wieder auf den Aufsteller mit dem Plakat. Spontan umarmt sie den Aufsteller, verschwindet in ihr gelbes Postauto und braust davon.
Schade, dass in diesem Moment niemand mein Überraschungsgesicht fotografierte: Wer umarmt denn einen Aufsteller? Die Dame von der Post ist offensichtlich so begeistert von dieser knappen Botschaft, dass sie ihre Freude mit einer euphorischen Geste der Umarmung zum Ausdruck bringt.
Welche Erfahrungen hat die Postbotin wohl gemacht, dass sie sich über Gottes Offenheit so freuen kann? Und es nicht albern findet, dies zum Ausdruck zu bringen. Die Geste geht mir nach. Gerne hätte ich mehr über sie und ihren Glauben an Gott erfahren.
Mir begegnet zunehmend eine Gesellschaft, die verschlossen ist: Vorsicht statt Vertrauen. Skepsis statt Charme. Zurückhaltung statt Zuversicht. - Offenheit dagegen hat mit Herzlichkeit und Transparenz zu tun. Offenheit signalisiert Wärme und den Willen nach Begegnung. Ich finde, das spürt man, wenn man einem Menschen gegenübersteht: Stehe ich vor einer Fassade oder vor einer offenen Tür?!
Und ich spüre es in der Begegnung mit Gott: Er empfängt mich mit offenen Armen.
Offenheit ist ein Luxus der Freiheit, den sich nur derjenige leisten kann, der genug Stärke nicht nur für die Folgen hat,
sondern auch für den eventuellen Missbrauch.
Meint die Autorin Christa Schyboll.
Über wen sagt sie das?
Über einige wenige Menschen vermutlich.
Aber es trifft auch auf Gott zu!
Er ist stark genug, dass er die Folgen seiner Offenheit dir und mir gegenüber aushält und keine Angst davor hat, dass seine Offenheit missbraucht wird. Wer diese Stärke mitbringt, der hat mein volles Vertrauen und meine Hochachtung.
Wir sind so gewohnt, uns vor anderen zu verbergen, dass wir uns schließlich vor uns selbst verbergen.
(François VI. Duc de La Rochefoucauld) Das gilt für Menschen.
Für Gott nicht.
Er ist offen
für dich.
Diese Erfahrung hat die Postbotin gemacht und aus Freude darüber den Aufsteller umarmt.
Bleiben Sie gesund und behütet.
Pastor Burkhard Heupel
Emmaus-Gemeinde