Das Wort zum Donnerstag

Das Wort zum Donnerstag

08.02.2024

Toleranz

In Dietzenbach ist das Schwimmen und Sonnen oben ohne im Freibad künftig für alle erlaubt, meldet op-online.de (15.11.23). Finden es die einen cool, unten ohne am internationalen No-Pants-Day (Ohne-Hose-Tag) im Mai unterwegs zu sein, finden es andere angemessen oben ohne die Zeit im Freibad zu genießen. Berlin macht es vor, andere machen es nach.

In den Bädern der Republik ist Toleranz gefragt: Wenn die einen immer weniger anhaben und die anderen sogar mehr als so mancher außerhalb des Schwimmbades, wird die Toleranzerwartung auf eine besondere Probe gestellt., mahnt die FAZ (7.8.23). Religion mit Kleiderordnung und Säkularismus ohne dieselbe begegnen sich – die FAZ spricht von der postmigrantischen Gesellschaft. Ich frage mich: Wie viel Toleranz hält eine Gesellschaft aus, ohne dass sie zerbricht? Oder müssen wir künftig in getrennten Bädern, je nach Kleiderordnung, baden gehen?

Damit nicht genug: die unterschiedlichsten Standpunkte zu diversen Themen finden sich in unserer Republik wieder. Je bunter und vielfältiger, desto besser – mein Eindruck. Wie viel Weite ist erträglich? Und wann geht es zu weit? Ab wann verwässert die Toleranz die Werte? Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein, sagt man. Daher: wann geht eine Gesellschaft baden, weil sie unendliche Weite und Toleranz nicht mehr verkraftet?

Das Substantiv Toleranz kommt ursprünglich vom lateinischen Verb tolerare: ertragen, aushalten, dulden. Ab dem 18. Jh. schwingt darin auch mit, dass man nachsichtig, großzügig, weitherzig ist. Wer den Individualismus fördert, ohne den Konsens zu suchen, macht im Kleinen und Großen ein Miteinander auf Dauer unmöglich.

Toleranz ist nicht ohne Grund ein hohes Gut in der pluralistischen, westlichen Welt. Nur durch Respekt und Toleranz ist gesellschaftliches Zusammenleben möglich. Beides wird im Elternhaus gelehrt und setzt sich in der Schule fort. Respekt ist gefordert gegenüber rechtsstaatlicher Gewalt.

Gott die Ehre zu geben, die ihm gebührt, und sich zugleich niemals selbst an seine Stelle setzen zu wollen, ist Respekt im höchsten Sinne. Toleranz ist es, zu akzeptieren, dass Menschen Gott nicht die Ehre geben wollen. Als Geschöpf Gottes bin ich abhängig von Gott. Zugleich erhalten wir durch ihn eine unzerstörbare Würde, denn Gott hat mich und andere geschaffen (Hiob 31,15).

Daraus ergibt sich der Anspruch, den anderen so wahrzunehmen und anzuerkennen, wie er vor Gott ist und wie Gott ihn sieht: Als den von Gott geliebten Menschen.

Gelebter Glaube zeigt sich auch darin, zu leben, dass Menschen aufeinander angewiesen sind, nicht in bloßer Duldung, sondern in Wertschätzung, Toleranz und Respekt gegenüber dem Anderen - ohne über ihn bestimmen zu wollen.

Bleiben Sie gesund und behütet.

Pastor Burkhard Heupel
Emmaus-Gemeinde

→ zum Archiv→ Home