…was ich sehe!
Mit diesen Worten begrüßt mich eine Kundin im Anziehpunkt, dem Second-Hand-Shop in der Bummelgasse, nachdem sie mich als Manager
identifiziert hat.
(Bin aber nur eine Aushilfe.) Während ich mich noch von der Anrede Manager
erhole, erklärt mir die couragierte Dame, dass jeder Versuch der Missionierung zwecklos ist
.
Nun, das war bisher nicht meine Absicht und ist auch nicht das Anliegen des Anziehpunkts.
Wir stehen für Nachhaltigkeit.
Die couragierte Dame sieht sich verschiedene Kleidungsstücke an und ist immer noch dabei, mir mitzuteilen, dass sie nur glaubt, was sie sieht. Nun, jeder hat seinen Glauben. Das respektiere ich. Manch einer bezeichnet sich als Atheist. Auch das ist ein Standpunkt.
Der Satz geht mir noch nach. Ich überlege: Was ich sehe, das muss ich nicht glauben, denn: ich kann es berechnen, begreifen, wiegen und vermessen. Und was ich sehe, das ist ja nur ein Bruchteil von dem, was es gibt. Ängste, Schmerzen, Hemmungen kann ich nicht sehen, trotzdem sind sie real.
Im Blick auf das Corona-Virus schrieb der Philosoph Wilhelm Schmidt:
Da fliegt etwas durch die Luft, das wir nicht sehen, nicht riechen, nicht ertasten können und das trotzdem tief in unser Leben eingreift.
An der Kasse treffen wir uns wieder.
Wie in Babenhausen üblich, ist aktuell eine Todesanzeige am Kassentisch angeklebt.
Die Kundin nimmt die ausliegende Todesanzeige in die Hand und murmelt:
Mein Jahrgang. Der Verstorbene ist ein Monat älter als ich.
Ein stiller, nachdenklicher Moment greift um sich.
Ob es ihr helfen würde, im Leben und im Sterben, den unsichtbaren Bedrohungen, eine Kraft entgegensetzen, die stärker ist?
Für mich ist das der Glaube, so wie ihn die Bibel versteht - als
eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.
(Die Bibel. Hebr.11,1)
Zuversicht und Hoffnung – beides kann man nicht sehen und meinen Glauben kann ich nicht beweisen, berechnen, wiegen oder vermessen.
Und oft kann ich ihn nicht einmal begreifen
.
Und doch ist er die tragende Kraft in meinem Leben.
Manchmal bleibt mir als Pastor nur die Bitte: Lass dich sehen, Gott!
– denn niemand will jetzt oder später das Nachsehen
haben.
Ich merke: Die couragierte Dame und ich leben in zwei unterschiedlichen Welten. Ich weiß gar nicht, wie es ohne Gott wäre. Er ist eben da. Und wir beide unterhalten uns. Und ich sehe, was ich glaube. Denn nach Oswald Chambers, ist Glaube die Fähigkeit, hinter allem Gott zu sehen.
Bleiben Sie gesund und behütet.
Pastor Burkhard Heupel
Emmaus-Gemeinde