Das Wort zum Donnerstag

Das Wort zum Donnerstag

01.09.2022

Kind-lich

Just an dem Tag, an dem ich Opa wurde, wurde unser Enkelkind geboren. Nun gehen Opa und Enkelin auf Entdeckungsreise. Nicht allzu oft, da die geografische Distanz für regelmäßige Begegnungen zu groß ist. An das Lebensalter von 16 Monaten gilt es sich anzupassen: Die Enkelin nimmt den Zeigefinger von mir in die Hand, das stabilisiert ihr Laufen doch enorm und schon geht es los: Stufe für Stufe die Treppe runter gehen, Tempo reduzieren, kleine Schritte machen, Blümchen und Steinchen am Wegesrand finden, diese in die Hand nehmen und betrachten.

Gemeinsam entdecken wir die Welt im Kleinen: Schmetterling, Blüte, Papierschnipsel, Knöpfe und vieles mehr. Und setzen uns einfach mal auf die Bordsteinkante. Hier und da ist der Opa gefordert, behilflich zu sein, um Hindernisse zu überwinden und darauf zu achten, dass es keine Verletzungen gibt. Und dann, nach so vielen Entdeckungen, genüsslich eine Banane essen.

Und zuhören will neu gelernt werden. Noch sind die Laute unverständlich und doch bringt sie ihre Forderungen und Empfindungen zum Ausdruck. Zur Belohnung gibt es für mich die gratis Einführung in eine Welt, die Erwachsene gerne übersehen.

Bald beginnt die Schule. Eltern, Lehrer, Erzieher und nicht zuletzt die Autofahrer benötigen diesen Blick, dieses Tempo und viel Verständnis für die jungen Erdenbürger, die dabei sind, ihre kleine Welt zu entdecken.

Um die Welt der Kleinen überhaupt wahrzunehmen, wird der Opa selbst wie ein Kind. Er wird nicht kindisch, das auch manchmal, dann schimpft allerdings die Oma. Kind-lich werden ist gefordert, damit Enkelin und Opa auf der gleichen Welle unterwegs sind und einander verstehen. Das funktioniert am besten auf den Knien – nicht von oben herab. Wir genießen das Zusammensein.

Gewöhnlich suchen wir jemanden, mit dem wir alt werden können. Eigentlich brauchen wir jemanden, bei dem wir Kind bleiben dürfen: verspielt und gehalten.

Kindlich werden ist die Eintrittskarte für Gottes himmlisches Reich, sagt Jesus (Die Bibel. Mt. 18,3). Nicht die großen Sprüche und Sprünge zählen, sondern sich an die Hand Gottes nehmen lassen und seine kleinen und großen Geschenke im Alltag aufstöbern. Dankbar werden. Genießen. Mit Gottes Hilfe die Herausforderungen meistern.

Major Walter Ian Thomas (1914–2007) formulierte: Man braucht Gott, um Mensch zu sein. In Gottes Nähe und Obhut wird die Welt ganz neu entdeckt.

Bleiben Sie gesund und behütet.

Ihr Pastor Burkhard Heupel
Emmaus-Gemeinde

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