Der Garten meiner Mutter ist eingeteilt in Nutz- und Ziergarten. Er ist großflächig vor und hinter dem Haus angelegt. Sie kann die intensive Pflege des Gartens körperlich und ich kann sie zeitlich nicht leisten. Daher kommt mir der Trend zum insektenfreundlichen Garten gerade recht: Wachsen lassen, was wächst. Kurzum: Im Nutzgarten wurden Kartoffeln gepflanzt, für mich die pflegeleichteste Variante der Nutzung, und im Ziergarten wächst, was wachsen will. Die Insekten freuen sich und ich tue etwas für die Umwelt, schone meinen Rücken und meine Zeit.
Im Ziergarten entdecke ich in diesem Jahr zwei riesige Pflanzen. Sie übertreffen mich an Größe - und an Schönheit sowieso. Ich bin fasziniert und bin mir sicher: das sind seltene Gewächse, alle werden mich um meinen Ziergarten und die Pflanzenvielfalt beneiden.
Über eine Pflanzenerkennungsapp sende ich einer befreundeten Gärtnerin ein Bild und gehe davon aus, dass sie neidisch sein wird auf meine üppige Flora und Fauna im heimischen Garten. Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: die Fachfrau empfiehlt den sofortigen minimalinvasiven Eingriff und damit die Entfernung beider Pflanzen.
Ich greife zum Hörer und frage nach.
Die Gärtnerin erklärt: Oder du lässt die Pflanzen wachsen und sie werden sich so stark und schnell vermehren,
dass du nicht mehr Herr über sie wirst.
Klare Ansage von der Fachfrau – Enttäuschung bei mir.
Wie im Leben. Eine Entdeckung macht neugierig.
Man denkt, man hat das große Los gezogen.
Zunächst fängt alles harmlos an.
Aber das, was sich da im Lebensgarten
eingenistet hat und so schön blüht
und anziehend ist, nimmt zunächst den kleinen Finger, dann die ganze Hand.
Wehret den Anfängen!
, rät Publius Ovidius Naso (43 v.Chr.-17 n.Chr.), ein antiker römischer Dichter.
Will heißen: manchmal hilft nur der Spaten!
Wie sagte meine Gärtnerin: Du wirst nicht mehr Herr über den Wildwuchs.
Ein Garten bedarf der Pflege.
Wildwuchs ist sonst vorprogrammiert.
Welche Pflanzen lässt du in deinem Lebensgarten wachsen?
Bedarf es hier und da eines minimalinvasiven
Eingriffs?
Gute Charaktereigenschaften: sie bedürfen der Pflege und kommen nicht von allein.
Was im Lebensgarten
an Tugenden und Werten wächst, darüber entscheidet jeder für sich: Liebe, Barmherzigkeit, Vergebung oder Zank, Streit und Distanz.
Anders formuliert: Dein Lebensbild malst du selbst und bist nicht ein Zuschauer in deiner Biografie.
Daher: Nicht wachsen lassen, was wächst, sondern bewusste Charakterpflege betreiben – mit Gottes Hilfe.
Ähnlich wie im Garten: Ab und zu minimalinvasiver Eingriff und den Anfängen wehren!
Es gilt den Charakter und die guten Tugenden zu stärken, die als Früchte geerntet werden wollen.
Bleiben Sie gesund und behütet.
Ihr Pastor Burkhard Heupel
Emmaus-Gemeinde