Das Wort zum Donnerstag

Das Wort zum Donnerstag

04.11.2021

Ich halte es nicht mehr aus

Dieser Seufzer wird nur manchmal laut zu anderen gesagt. Meistens innerlich gestöhnt. Ich halt es nicht mehr aus. Es wächst mir alles über den Kopf. Ich will nicht mehr. Es kann die Arbeit sein oder die Krankheit. Die Partnerschaft oder der eigene Charakter. Vielleicht ist es die Verwandtschaft oder die Nachbarschaft. Selbst der Urlauber oder Rentner kennt solche Gedanken. Oder es ist das Ergebnis der Auseinandersetzung mit den Eltern in der Pubertät: Ich halte es nicht mehr aus! Kennen Sie das auch?

Im Gemeindezentrum der Emmaus-Gemeinde war kürzlich eine Kunstausstellung zu sehen. Eindrückliche Exponate gab es zu betrachten. Eins der Bilder hat mir besonders gefallen. Irgendwie sprach es mich an. Die Künstlerin Sabine Hesse hat mir das Bild zum Ende der Ausstellung geschenkt. Das Bild ist 30x40 cm groß, besteht aus Leinwand, Acrylfarben und unübersehbar: der Schraube. Diese ist 22 cm lang. Auf der Schraube steht eine Figur.

Bild mit Schraube

Die Schraube trägt die Figur. Die Figur ist den Elementen ausgeliefert. Um sie herum toben Stürme, gewaltige Wassermassen, Nacht und Finsternis. Die Konturen sind fließend. Wo ist Halt zu finden, für den, der es nicht mehr aushält? Ganz am Rand wird es hell. Licht. Es bedrängt die Finsternis. Hier und da ist das Licht auch im Dunkel sichtbar. Aber noch hat das Licht die Finsternis nicht verdrängt. Auffällig: Die haltgebende Schraube ist umgeben von Helligkeit.

Manchmal werden aus Träumen Alpträume. Lebensentwürfe und -konzepte zerbrechen. Keine Spur von den Sonnenseiten des Lebens. Pläne und Vorhaben misslingen: Zerbruch. Es scheint, als gewinne die Dunkelheit den Kampf zwischen Licht und Finsternis. Ängste statt Zuversicht. Resignation statt Hoffnung. Es schreit in mir: Ich halte es nicht mehr aus! Die Folge: ich bin ungehalten.

Da ist es gut, wenn ein sicherer Halt gefunden wird. Ein Halt, auf dem man stehen kann. Ein Standort. Die Schraube erinnert mich an einen Knochenbruch. Im Rahmen eines operativen Eingriffs werden die Knochenfragmente fixiert. Das gibt Halt. Der Bruch kann heilen. Eine Schraube kann auch verbinden: zwei Werkstücke miteinander. Auch dann ist es ihre Aufgabe, Halt zu geben.

Wer oder was gibt mir Halt im Leben? Vielleicht gibt die Tagesstruktur Halt. Oder gute Freunde. Versicherungen versprechen Halt. In einer Zeit, in der Veränderungen an der Tagesordnung sind, ist die Suche nach einem Halt wichtiger denn je zuvor. Damit wir uns nicht verlieren.

Wer gibt meiner Seele Halt?

Bleiben Sie gesund und behütet.

Ihr Pastor Burkhard Heupel
Emmaus-Gemeinde

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