Das Wort zum Donnerstag

Das Wort zum Donnerstag

15.04.2021

Gott zurechtlegen

Bei facebook komme ich ins Gespräch mit einem Menschen, der die Bibel und den Glauben an Gott als Geschwurbel einstuft. Freundlich frage ich nach, ob er Gott schon einmal begegnet sei? Er schlägt vor, dass ich mit Gott einen Termin vereinbaren soll, damit er ihm einmal ein paar Fragen stellen kann, die er gerne loswerden will.

Mit Gott einen Termin machen: nicht nötig. Denn: Er hat immer Zeit und hört immer zu. Trotzdem bringt mich der kurze Dialog zum Nachdenken. Gibt es auch in meinem Glaubensleben unbeantwortete Fragen?

Im Juli sind meine Frau und ich 32 Jahre miteinander verheiratet. Wir hatten zu Beginn unserer Ehe bestimmte Vorstellungen voneinander und auch vom Leben – vom gemeinsamen Leben. Doch das Leben hat unsere Vorstellungen nur teilweise erfüllt. Manches ist wie am Anfang. In manchen Punkten haben wir einander enttäuscht – und nicht nur das: manchmal haben wir uns das Leben gegenseitig schwer gemacht. Den anderen zu erziehen, diese Versuche sind gescheitert. Rückblickend muss man sagen, dass es sie gab, die guten und die bösen Tage, wie damals vorm Traualtar schon angekündigt.

Dieses Jahr werden es 37 Jahre, dass ich mich für ein verbindliches Leben im Glauben an und mit Gott entschieden habe. Meine Vorstellungen vom Glauben und einem Leben mit Gott haben sich nur zum Teil erfüllt. Manchmal wurde ich enttäuscht: Ich verstehe Gott nicht in allem. Ich leide auch an ihm. (Wie viel mehr leidet er an mir….!) Trotzdem will ich weiter lernen, ihm zu vertrauen, auch wenn ich mich an ihm reibe. Manchmal klage ich ihm die Dinge, ringe mit ihm, versuche ihm meine Sehnsucht nach einer schmerzfreien Gottesbeziehung und Welt zu klären.

Schlussendlich ist es wie in unserer Ehe: trotz meines Nichtverstehens und Ringen in manchen Punkten wächst meine Liebe zu ihm. Ich habe aufgehört Gott zu erziehen, ihn mir zurechtzulegen oder gar zurechtzubiegen. Nicht immer hat er meine Vorstellungen vom Leben und Glauben erfüllt. Ich kann nicht über ihn verfügen. Will ich eigentlich auch nicht. Er ist Gott – ich bin Mensch. In vielen Themen hat er meine Hoffnungen aber auch übertroffen. Über die Jahre habe ich ihn besser kennengelernt – meine Wunschvorstellungen beiseitegelegt. Ich will weiterhin lernen, nicht (m)ein Wunschbild von Gott zu lieben, sondern ihn selbst – in guten wie in bösen Tagen.

Bleiben Sie gesund und behütet.

Ihr Pastor Burkhard Heupel
Emmaus-Gemeinde

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