Die Familie sitzt am Mittagstisch. Der Vater spricht das Tischgebet:
Komm, Herr Jesus, sei du unser Gast und segne uns und was du uns bescheret hast. Amen.
Die 4-jährige Hanna macht ihrem Protest über das gesprochene Gebet lautstark Luft:
‘Aus Gnaden‘ vergessen. ‚Aus Gnaden‘ vergessen!
ruft sie empört.
Das Wesentliche hatte der Vater weggelassen, denn eigentlich lautet es in diesem Gebet:
Komm, Herr Jesus, sei du unser Gast und segne uns und was du uns aus Gnaden bescheret hast. Amen.
Hanna hatte genau zugehört
Für mich trifft Hanna den Nagel auf den Kopf: ‘Aus Gnaden‘ vergessen!
Ich sehe es bei mir und anderen Zeitgenossen: Meinen Besitz und die angenehmen Seiten in meinem Leben gehören wie selbstverständlich zu mir.
Ich nehme sie kaum noch zur Kenntnis. Standard ist so vieles geworden von dem, was ich bin und habe.
Mein Eindruck ist, dass in unserer Wohlstandszeit, die Gott aus Gnaden
schenkt, oft vergessen wird, dass sie nicht primär das Ergebnis von eigenem Tun, Denken und Arbeiten ist.
Es ist Gottes großes Geschenk an mich, eben aus Gnaden, dass es mir und vielen anderen so gut geht.
Jesus fragt (Die Bibel. Matthäusevangelium 6,27): Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge um eine Spanne zusetzen könnte, so sehr er sich auch darum sorgt?
Mit anderen Worten: Jesus fragt, ob wir in unserem Leben wirklich etwas erreichen, erhalten oder verändern können:
zum Beispiel im finanziellen oder gesundheitlichen Bereich - wenn er es nicht schenkt, aus Gnaden, der ganze Einsatz zu kurz.
Meine Oma erzählte mir einmal, dass sie als junges Mädchen miterleben musste, wie Ende der 20er Jahre ihr Elternhaus abbrannte. Es war die Zeit der Weltwirtschaftskrise. Eine nie dagewesene Inflation herrschte. Ihr Vater, so berichtete sie mir, sei damals gleich zur Brandkasse gegangen, um das Geld für das abgebrannte Anwesen abzuholen. Auf dem Rückweg habe er dann nur kurz Bescheid gegeben, er wolle noch schnell für das Geld etwas im Dorf kaufen. Als er zurückkam hatte er eine Hacke ohne Stiel gekauft. Mehr war die Versicherungssumme für das Haus nicht mehr wert gewesen.
Menschen wollen ihr Leben sichern. Sie wollen es erhalten und gestalten. Gut so! Deutlich wird mir, bei dem was Jesus sagt, dass mein Leben in Gottes Hand liegt. Geschenkt ist jeder Tag. Gesundheit, Frieden und Wohlstand. Alles was ich habe – geschenkt von Gott. Das Erntedankfest lädt ein, diese Dankbarkeit zu leben und Gott gegenüber auszusprechen. Vielleicht sogar täglich: In einem Tischgebet vor der Mahlzeit.
Bleiben Sie gesund und behütet.
Ihr Pastor Burkhard Heupel
Ev. Emmaus-Gemeinde