Das Wort zum Donnerstag

Das Wort zum Donnerstag

13.08.2020

Morgen

Corona hat in unserem Bewusstsein etwas ausgelöst, was nur wenige Großereignisse schaffen: Das Gefühl einer Zeitenwende, nach der nichts mehr ist, wie es vorher war. Wir sprechen schon heute von Erinnerung, wenn wir von der Zeit vor Corona sprechen.

In der langen, langen Zeit vor Corona war ich mit meiner Frau einmal in Frankfurt auf der Zeil flanieren. Es war schönes Wetter und machte Spaß. Unvermittelt musste ich dann vor einem Modehaus stehen bleiben. In der schick dekorierten Auslage war eine Schaufensterpuppe mit einem auffälligen Shirt zu sehen. Es war mit so großen Lettern bedruckt, dass man die Frage nicht übersehen konnte: who am I tomorrow?Wer bin ich morgen?


Oh, dachte ich, ganz schön mutig, wer sich so ein Shirt kauft – und dann auch anzieht! Die Frage nach der eigenen Identität stellen wir uns ja in aller Regel nicht so öffentlich. Wenn wir genau in die Frage hinein-hören, können wir allerdings auch heraus-hören, dass da noch eine anderen Frage mitschwingt, nämlich, ob da eine Änderung überhaupt möglich ist: Ob ich morgen tatsächlich jemand anderes sein könnte, als ich es heute bin?

Es geht auch in unserem Leben bei grundlegenden Ereignissen um Zeitenwenden und um die Frage, ob die uns verändern. Wenn ich morgens aufstehe, ist das nicht unbedingt eine Zeitenwende. Wenn ich aber eines Tages als Mutter oder Vater aufstehe, ist die Zeitenwende nicht zu übersehen bzw. zu überhören. Wenn ich das Abitur geschafft habe oder frischgebackene Abteilungsleiterin oder später gar Rentnerin oder Arbeitsteilzeitler geworden bin, dann ist Zeitenwende eine durchaus passende Beschreibung – wenn ich in der Obdachlosigkeit aufwache, wenn ich die Diagnose einer unheilbaren Krankheit bekomme oder in Demenz versinke, dann allerdings auch. Bin Ich-heute dann immer noch Ich-von gestern

Ich bin froh und sehr dankbar, dass da einer in mein Leben getreten ist, der mir zugesichert hat, dass es überhaupt ein morgen gibt, zu jeder Zeit, unter allen Umständen – und eben auch für mich. Ich kann mir dieses morgen noch nicht wirklich vorstellen. Aber ich habe den kennen lernen dürfen, der schon in diesem morgen lebt: Jesus Christus. Er hat mir versprochen, mich nicht aus seiner Hand zu lassen. Und ich weiß: morgen werde ich ich sein. Und er wird mich völlig verwandelt haben.

Bleiben Sie gesund und behütet.

Pastor i.R. Michael Rosenhagen
Emmaus-Gemeinde

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